Mittwoch, 9. September 2009

Brennen

Ein Blick genuegte, um ihr zu zeigen, dass diese Begegnung etwas Besonderes war. Sie wusste mit einem Mal, dass etwas aussergewoehnliches geschehen wuerde. Sie konnte nicht sagen, warum ihr dieser Gedanke gekommen war, aber da war dieses Bauchgefuehl. Er blickte ihr tief in die Augen und ihre Nackenhaare kraeuselten sich. Ein zarter Schauer lief ihr den Ruecken runter und sie bemerkte, dass sie schneller atmete. Nur eine Sekunde und alles war klar. Aber wie sollte sie sich verhalten? Sollte sie denn ueberhaupt irgend etwas tun?
Sie hielt kurz inne, um es sich dann doch anders zu ueberlegen. Langsam ging sie weiter - vorbei an den Auslagen der Boutiquen und den zahlreichen Cafes, aus denen hier und da der suesse Duft von frischem Kuchen stroemte. Sie wuerde sich nicht umdrehen. Zumindest noch nicht.
Auf der Piazza spielte ein junger Mann auf seiner Gitarre und sie blieb fasziniert stehen. Wie angewurzelt lauschte sie den Klaengen seines leidenschaftlichen Spiels. Sie schloss die Augen und vergass alles um sich herum. Sie tauchte voellig ein in die Musik, die direkt aus dem Herzen des Musikers zu kommen schien. Ihre Gedanken machten Platz fuer diese wunderschoene Melodie und zum ersten Mal seit langem entspannten sich ihre Zuege und sie laechelte vor Glueck. Sie war voellig verloren..
Als die Musik verstummte schien es, als waere sie ganz weit weg gewesen und sie musste sich erst zurechtfinden - musste realisieren, wo sie sich befand.
Tief beruehrt und noch immer etwas vertraeumt setzte sie ihren Weg durch die kleinen, engen Gaesschen der Stadt fort. Ohne ein bestimmtes Ziel zu verfolgen schlenderte sie weiter, als ihr ploetzlich wieder dieser atemberaubende Unbekannte einfiel.
Schuechtern drehte sie sich um und suchte die Menge hinter sich nach ihm ab.
Doch nichts.
Er war nirgendwo auszumachen. Dabei war sie sich so sicher, seine Anwesenheit zu spueren... Aber er war nicht hier.
Enttaeuscht ging sie weiter und wunderte sich ueber sich selbst. Was hatte sie erwartet? Dass er ihr folgen wuerde? Und wenn er das tatsaechlich getan haette? Was dann? Was waere wohl weiter geschehen? Wonach hatte sie Sehnsucht? Wozu war sie bereit? Wie weit waere sie gegangen?
So viele Fragen - aber wozu denn, wenn er doch gar nicht da war?
Ploetzlich fand sie sich in der netten kleinen Bar am Strand wieder und freute sich, dass ihre Beine sie hierher gebracht hatten, ohne dass sie es ihnen grossartig angeordnet hatte. Wie schoen.
Sie liess sich in einem dieser bequemen Korbsessel nieder und liess ihren Blick ueber das Meer gleiten. Es war perfekt.
Alles in ihr entspannte sich und sie bemerkte, wie gut ihr der Aufenthalt hier tat. Alle Sorgen der letzten Wochen fielen hier von ihr ab wie alter Putz von Haeusern, die nach einer Sanierung verlangten. Und genau so fuehlte sie sich. Auch sie benoetigte dringend eine Generalsanierung. Genau deshalb war sie da. Und der Plan war aufgegangen.
Bereits nach wenigen Tagen war das Strahlen zuruecktgekehrt, dass sie immer begleitet hatte. Ihre Augen glaenzten wieder und sagten: "Ich bin bereit. Zeigt mir das Abenteuer und ich bin dabei. Hab' meine Kraft wieder gefunden."
Darauf wollte sie trinken.
Das Gin-Tonic, dass ihr der Barkeeper mit einem verschmitzen Laecheln gebracht hatte, schmeckte ihr so gut wie nie zuvor und sie war dankbar, alles hinter sich gelassen zu haben und nun ihr Glueck wieder in ihre eigenen Haende gelegt zu haben.
Vorbei die Zeit der Entbehrungen, der Unzufriedenheit und der einsamen Zweisamkeit. Sie wuerde wieder atmen koennen, wieder unbeschwert lachen koennen und nur fuer sich selbst da sein. Welch Glueck.
Gerade, als sie ueberlegte, ob sie noch auf den Sonnenuntergang warten sollte, spuerte sie ein ungewoehnliches Kribbeln im Bauch. Aufregung. Aber wieso?
Sie nahm einen Geruch wahr, den sie schon zuvor am Tage gerochen hatte.
Er war da. Wie aus dem Nichts stand er ploetzlich vor ihr und schenkte ihr sein strahlendes Laecheln.
Er hatte zwei Drinks in der Hand und sah sie fragend an. Sie zoegerte kurz, doch dann laechelte sie und gab ihm dadurch zu verstehen, dass er sich zu ihr setzen durfte.
Erfreut reichte er ihr ein Glas und prostete ihr zu. Er hatte kein Wort gesprochen und sie wollte dieses Schweigen nicht brechen. Noch nicht. Ausserdem: was sollte sie sagen?
Sie betrachteten einander eingehend und die Luft zwischen ihnen schien foermlich zu knistern. Die Spannung war kaum noch ertraeglich und noch immer hatten sie kein Wort gesprochen. Wie gerne wuerde sie mehr ueber ihn erfahren - woher er kam, wie er hiess, was er dachte und warum er ausgerechnet ihr gefolgt war. Tausend Fragen und dennoch blieb sie stumm. Gerade dieses Schweigen, dieses Nichts-voneinander-wissen machte ihre Situation noch schoener, noch prickelnder.
Sie blieben eine ganze Weile so sitzen, laechelten einander an und bewunderten gemeinsam den Sonnenuntergang.
Sie fuehlte sich wie in einem dieser Romane voll Leidenschaft und Begehren und malte sich aus, wie es wohl waere, wuerde sie in seinen Armen liegen. Sie stellte sich vor, wie er sie kuessen wuerde und ihre Wangen erroeteten.
Als haette er ihre Gedanken gelesen, stand er auf, nahm sie an der Hand und fuehrte sie an einen Ort, der so malerisch war, dass sie sich unwillkuerlich fragte, ob sie traeumen wuerde.
Was sie dort erwarten sollte, war pure Leidenschaft, wie sie sie noch nie zuvor verspuert hatte.

Selbst wenn jemand diese Nacht in Worte haette fassen wollen, er haette es nicht vermocht ohne dafuer eine eigene Sprache erfinden zu muessen.

Vollendet.

2 Kommentare:

quattrodriver hat gesagt…

...faszinierend...packend...nachdenklich...anregend...bekanntes...verbindendes...leidenschaftliches...losgelöst...genuß pur!

ein unsichtbares band das niemals endet...toll!

gedankenübertragung? leidenschaft?

LEBEN!!!

supercow hat gesagt…

wo bist du? hab erschrocken festgestellt, dass du nicht mehr unter meinen lesern bist! war lange nicht mehr da...so viel bewegung in meinem leben..diese ungewohnte freiheit ist ein eigenartiges ding, mit dem ich erst zurechtkommen muss.
ich hoffe sehr, wieder von dir zu hören - tut gut, wenn jemand zu verstehen scheint!
hoffentlich bis bald